Diesen Text von Alexandra Thoese habe ich bei den newslichtern.de gefunden und fand ihn so schön, dass ich ihn gerne hier mit euch teilen möchte. Jan. 2019

Lange Zeit habe ich dich verbannt. Es schien mir sicherer ohne dich durchs Leben zu gehen. Ich sah und spürte dich bei vielen anderen Menschen. Das machte mir Angst und ich beschloss, ohne dich zu sein. So legte ich mich Stunde um Stunde in ein Nest aus Angst und Kummer. Mit den Jahren errichtete ich eine Mauer um mich herum. Doch mein Anliegen dich und andere von mir fernzuhalten, misslang. Die Fugen der Mauer waren undicht, sodass vieles hindurch kam und nichts entwich. Mein einst weiches Nest wurde enger und klebriger und meine Träume ließen mir keine Ruhe.

Mit der Zeit glaubte ich den Stimmen in mir, die sagten ich hätte kein Recht auf dich und du würdest nur alles zerstören. So gewaltig war es dich im Außen zu erleben. Sie sagten mir, dass wir nicht sicher seien, wenn wir dich hereinließen. Du seiest unkontrollierbar und sehr gefährlich. Doch du begehrtest Einlass und es gab diese kurzen Momente, da ich dich auf meiner Zunge schmeckte. Schnell zog ich mich in mein Nest zurück. Dort glaubte ich mich sicher vor dir.

Nach einiger Zeit erkannte ich dich nicht mehr, wenn du leise an meine Tür klopftest. Kummer hatte sich mit seiner Schwere vor die Tür gestellt und versperrte dir den Weg. So dachte ich, dass ich dich endgültig verbannt hätte.
Doch manchmal spürte ich ein leises Beben in mir. Da war diese Sehnsucht, dass sich aus dem Beben Flammen bilden mögen, um alles zu verbrennen, was nicht mehr dienlich war. Schnell schluckte ich dich im Keim herunter und versengte mir dabei mehr als einmal die Kehle. Sprachlos verharrte ich. Bewegungslos lag ich in meinem Nest aus Traurigkeit und Schwere. Viele Jahre vergingen. Du schliefest in mir. Geduldig. Auf Sparflamme. Du ahntest, dass es wichtig sei zu bleiben.

Eines Tages starb etwas im Außen.

Erst war ich erschrocken, dann traurig, verzweifelt, raufte mir das Haar. Der Schmerz grämte mich und stimmte mich taub für dich. Du bliebst beharrlich. Nach einiger Zeit, räkelte sich etwas in mir. Dein Licht, deine Kraft, deine Botschaft formte sich. Aus der zarten Glut erwuchs ein Feuer, welches sich Raum suchte. Du stiegst in mir empor und riefest mir zu: „Ich bin hier. Ich bin deine Wut. Erhöre mich. Lasse zu, was sein will. Ich reinige und heile dich.“
Erschrocken schlug ich meine Hand vor den Mund, um dich zu ersticken, doch es war zu spät und ich spürte dich in all meinen Poren. Du warst bereit alles zu entzünden. Deine Stimme wurde lauter: „Ich bin hier. Gib mir Raum. Hab keine Angst. Ich bin bei dir. Öffne dich mir und du wirst Erleichterung erfahren.“ Zögerlich öffnete ich Mund und Herz und ließ dich zu. Polternd, laut, feurig stürmten Worte und Gesten aus mir heraus. Ich schrie laut: „Ich bin so wütend auf dich. Ich bin wütend auf mich. Ich bin wütend auf alles, was in mir ist. Ich bin wütend auf all das was ich zurückgehalten habe.“

Ich wütete. Stampfte. Schrie. Kreischte. Weinte. Tobte. Schmiss Dinge umher. Feuer entwich meinem Mund und formte ihn zu einem Maul. Würgend übergab ich mich. Flammen speiend schüttelte es mich und ich spie etwas aus, an dem ich beinahe erstickt wäre. Doch plötzlich wurde es ruhig in mir. Hinter einem Schleier aus Tränen sah ich etwas, dass vor mir auf dem Boden lag. Ich wischte die Tränen davon und da sah ich dich. Da standst du. Ein roter, feuriger Drache mit klarem Blick. Nicht größer als ein Kind und doch gewaltig in deiner Erscheinung. Du schütteltest dich und ein paar Flammen kamen aus deinem Maul.

„Endlich“,

grolltest du, „wurde auch Zeit, dass du mich hinaus lässt. Jahrhundertelang habe ich darauf gewartet befreit zu werden.“ Verblüfft schaute ich dich an. Konnte es kaum fassen. Doch innerlich spürte ich Wärme und Frieden in mir aufsteigen. Ich schaute dich an. Lange. Sah in deine Augen. Plötzlich stiegen Tränen in mir auf. Ich erkannte: Du bist ich. Auch du. Die Wut. Ich begriff, dass du nicht gefährlich bist. Nun spürte ich, wie wichtig du bist. Ich setzte mich auf den Boden und schaute dich an. Langsam kamst du näher, bis wir ganz nah voreinander saßen. Ich hob meine Hand und legte sie auf dein Herz. Du seufztest, hobst deine Kralle und legtest sie auf mein Herz. Unsere Blicke verschmolzen und in mir formten sich Worte.

„Danke, liebe Wut. Danke, dass du auf mich gewartet hast. All die Jahre. Ich erkenne, wie wichtig du in meinem Leben bist und welche Kraft du mir bescherst. Ich verspreche dir, dich zu achten und dir Raum zu geben. Erinnere mich bitte daran, falls ich es vergessen sollte.“
Lächelnd erwidertest du meine Worte: „Sei unbesorgt. Ich werde bei dir sein. Denn ich bin du. Ich bin geduldig. Ich bin kraft- und machtvoll. Ich bin läuternd und reinigend. Nutze mich.“ Ich nickte, da ich verstand.
So blieben wir eine lange Zeit sitzen. Gemeinsam. Verbunden. Eins. Als wir uns bedächtig voneinander lösten, blieb in mir ein tiefes, warmes Gefühl und ich erkannte: Du bist ein Teil von mir. Mal leise mal laut. Wut ist heilsam. Heilung ist Liebe. Liebe bedeutet, all meine Gefühle willkommen zu heißen. Annahme ist Liebe. Alles darf da sein. Dann, und NUR dann, kann Heilung geschehen.
Nickend stimmtest du mir zu.

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